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Dienstag, 27 April 2021 08:31

Wie eine Gaumenspalte entsteht

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Nach der Geburt eines Kindes mit Spalt-Fehlbildung stellen sich viele Eltern die Frage, wie diese Art der Fehlbildung entstanden sein könnte. Sehr oft treten auch Schuldgefühle ( besonders bei den Müttern ) auf, ob sie etwas in der Schwangerschaft falsch gemacht haben. Deshalb möchte ich an dieser Stelle auch auf dieses, häufig kontrovers und emotional diskutierte, Thema eingehen.

Die Entwicklung des Gesichtes im Mutterleib ist ein sehr komplexer (=vielschichtiger) Vorgang. Lippe, Nase, Kiefer und Gaumen entwickeln sich durch die Verschmelzung unterschiedlicher „ Wülste“ während der Embryonalzeit, also zu einem sehr frühen Zeitpunkt der Schwangerschaft. Im vergangenen Jahr habe ich einmal einen kleinen Videofilm auf meine Facebookseite eingestellt, der diesen Vorgang eindrucksvoll darstellt.

Lippe und Kieferentwickeln sich in der 5.-8. Woche nach der Empfängnis, die Gaumenanteile dagegen in der 7. – 11. Schwangerschaftswoche. Kommt es in diesem Zeitraum zu einer Störung, bleibt die Verschmelzung der Wülste aus und es entsteht eine Spaltbildung unterschiedlichen Ausmaßes. Je nach Zeitpunkt der aufgetretenen Störung entsteht eine Lippen- Kiefer Spalte, eine Lippen-Kiefer- Gaumenspalte mit Fehlbildung der inneren und äußeren Nase oder eine isolierte (also alleinige) Gaumen-Nasen-Fehlbildung.

Aber niemand braucht sich deswegen schuldig zu fühlen!!

In der Humangenetik spricht man von einem sog. multifaktoriellen (s.u.) Geschehen, wenn eine Spaltbildung aufgetreten ist. Untersuchungen haben ergeben, dass die Disposition (=Neigung) zur Entwicklung einer Spaltbildung durchaus gegeben sein kann, besonders wenn schon in der Familie oder bei Verwandten Spalten aufgetreten sind. Auch sind einige der für die Fehlbildung verantwortlichen Gene bekannt. Einige Formen der Spaltbildungen sind auf ein Gen zurückzuführen und mit weiteren Fehlbildungen kombiniert. Das bekannteste Erkrankungsbild ist z. Bsp. das van-der-Woude Syndrom, bei dem neben der Spaltbildung auch Unterlippenfisteln vorkommen. Diese Fehlbildungen werden in der Tat direkt vererbt und können in einer Familie mehrfach auftreten.
Ein Sonderfall stellen Spaltbildungen im Rahmen von Chromosomenschädigungen dar.

Die Mehrzahl der Spalten sind jedoch nicht mit anderen Fehlbildungen kombiniert. Die Kinder kommen, von der Fehlbildung einmal abgesehen, ansonsten gesund zur Welt.

Bei einem multifaktoriellen Geschehen sind mehrere Gene an der Entwicklung einer Spaltbildung beteiligt. Hinzu kommen äußere Einflüsse während der Schwangerschaft, wobei noch nicht bekannt ist, in welchem Ausmaß welche Einflüsse an der Entstehung beteiligt sind. Hinzu kommt, dass die Störung zu einem Zeitpunkt erfolgt, zu dem die Mutter oft noch nicht weiß, dass sie schwanger ist. Genau diese – äußerlichen und nicht immer beeinflussbaren- Faktoren bringen das berühmte Fass zum Überlaufen, wobei i.d.R. auch mehrere äußere Faktoren zusammenkommen müssen, bis eine Lippen-Kiefer-Gaumenspalte oder eine Gaumenspalte entsteht.

Die Anzahl möglicher Einflüsse ist hoch und- wie schon gesagt- nicht immer auszuschalten.

Es können sein:

- Infektionskrankheiten während der Frühschwangerschaft
- spontane Genveränderungen (= Genmutationen) unbekannter Ursache
- regionale Durchblutungsstörungen im sich entwickelnden Gesichtsbereich
- Durchblutungsstörungen der Placenta (=des Mutterkuchens) mit einhergehendem Nährstoffmangel
des Kindes
- Vitaminmangel der Mutter
- Einnahme von schädigenden Medikamenten ( Bsp. Contergan Anfang der 60iger Jahre)

Aber auch:

- Über das normale Maß hinausgehender Stress der Mutter
- Erhöhte Strahlenbelastung
- Konsum giftiger und bekannt schädlicher Substanzen

Es wird deutlich, dass die meisten der diese Fehlbildung auslösenden Faktoren nicht zu beeinflussen sind. Beinflussbare Einflüsse sollten jedoch vermieden oder reduziert werden, wenn eine Schwangerschaft geplant ist. Dennoch birgt jede Schwangerschaft ein gewisses Restrisiko in sich, ein besonderes Kind zur Welt zu bringen.

Denn das Normalste dieser Welt ist, dass es keine allgemeingültige Norm gibt.

Gelesen 2359 mal Letzte Änderung am Donnerstag, 29 April 2021 14:37